Pfeil links kamina

Getrennte Eltern: Umgang gemeinsam verantworten

Die Trennung der Eltern ist für Kinder nie leicht. Umso wichtiger ist es, dass Eltern an einem Strang ziehen und gemeinsam hinter dem gewählten Umgangsmodell stehen. Infos und Tipps mit juristischer Expertise erfahrt ihr hier.


Trennung der Eltern - verschiedene Umgamngsmodelle

Die Gestaltung des Umgangsrechts für die gemeinsamen Kinder stellt für Eltern im Falle einer Trennung meist eine große Herausforderung dar. Es gilt, die Bedürfnisse der Kinder und die Ressourcen der Eltern unter einen Hut zu bringen. Wir möchten euch mögliche Umgangsmodelle vorstellen und haben uns hierzu in Form eines Gastartikels Expertise bei der Anwaltskanzlei Clamann eingeholt.

Das Recht zum Umgang mit den Kindern

Wichtig ist zunächst, Sorgerecht und Umgangsrecht zu unterscheiden. Unter dem Sorgerecht verstehen Jurist:innen die „Personen- und Vermögenssorge“ für Kinder. Hier geht es darum, weitreichende Entscheidungen für das Kind zu treffen, etwa in medizinischer, finanzieller oder schulischer Hinsicht. Dagegen regelt das Umgangsrecht genau das, wonach es klingt: den tatsächlichen Umgang mit dem Kind. Wählt ihr als Eltern ein Umgangsmodell, legt ihr damit fest, wer das Kind wie oft sieht, wie stark ihr den Kontakt zu ihm pflegen könnt und inwiefern ihr eine enge Bezugsperson für es sein könnt.

Das Residenzmodell: Klare Strukturen mit möglichen Konflikten

Das Residenzmodell ist die traditionellste Form des Umgangs. Die „Residenz“ ist der Hauptwohnsitz des Kindes bei einem Elternteil. Hier lebt das Kind mehr als 70% der Zeit. Die restliche Zeit der Betreuung übernimmt dann der andere Elternteil. Am häufigsten wird das Residenzmodell so praktiziert, dass die Mutter den wesentlichen Teil der Betreuung übernimmt, während der Vater das Kind jedes zweite Wochenende umsorgt. Besondere Anlässe wie Feier- oder Geburtstage werden dann etwa hälftig aufgeteilt.

Das Residenzmodell bildet oft die Grundlage für gerichtliche Entscheidungen. Es hat den Vorteil, dass es klare Strukturen schafft und die Verantwortlichkeiten zwischen den Eltern deutlich verteilt. Allerdings kann genau diese Aufteilung zu Konflikten führen, wenn der externe Elternteil das Gefühl hat, zu wenig Einfluss auf die Erziehung des Kindes zu haben. Um dem zu entgehen, ist wichtig, dass beide Elternteile an der Erziehung beteiligt bleiben. Die Zeit außerhalb der Residenz sollte vom Kind nicht als Urlaub, sondern als Normalität begriffen werden und der Entwicklung des Kindes und der Eltern-Kind-Beziehung dienen. Dazu gehört etwa die Hilfe bei den Hausaufgaben, Gespräche über die Themen, die das Kind aktuell beschäftigen und das Aufzeigen von Regeln und Grenzen.

In zwischenmenschlicher Hinsicht führt das Residenzmodell meist dazu, dass das Kind eine besonders enge Bindung zu dem Elternteil aufbaut, der es hauptsächlich betreut. Die Residenz bietet dem Kind Stabilität und Sicherheit. Gleichzeitig kann hierunter die Beziehung zu dem anderen Elternteil leiden. Es besteht die Gefahr, dass Trennungsängste auftreten, wenn der externe Elternteil nur begrenzten Kontakt hat. Hier hat es sich in der Praxis bewährt, regelmäßigen und engen Kontakt zu halten. Dies kann beispielsweise durch Übernachtungen beim externen Elternteil oder mit (Video-)Telefonaten in der Zeit zwischen den Wochenenden umgesetzt werden. Hier ist gerade bei dem Residenz-Elternteil großzügige Flexibilität im Sinne des Kindes gefragt und die Bereitschaft, den externen Elternteil in das Leben des Kindes einzubinden (z.B. bei Elternabenden, Arztbesuchen etc.).

Das Wechselmodell: Gleichberechtigung mit hohen Kooperationsanforderungen

Beim Wechselmodell handelt es sich um eine recht progressive Alternative zum Residenzmodell. Hierbei teilen die Eltern sich die Betreuung des Kindes etwa hälftig auf – sowohl zeitlich als auch im Rahmen der Erziehung und Verantwortung. Meist wird hierfür ein Ein- oder Zwei-Wochen-Rhythmus vereinbart.
Die Ausgestaltung des Wechselmodells ist anspruchsvoll. Insbesondere kann die Entfernung der elterlichen Wohnungen ein Problem darstellen, wenn die Kinder bereits im schulpflichtigen Alter sind. Maßgeblich für die Schulanmeldung ist der Hauptwohnsitz des Kindes, der auch beim Wechselmodell nur eine der elterlichen Wohnungen sein kann. Eine strikte Grenze für die Entfernung der anderen Wohnung gibt es nicht, die Eltern müssen entscheiden, ob sie für das Kind noch zumutbar ist. Als Orientierung kann eine Entscheidung des OLG Hamburg dienen, nach der eine Entfernung von 17 km zu einer weiterführenden Schule noch akzeptabel ist (OLG Hamburg, Beschluss vom 22.06.2021 – 12 UF 61/21).

Für die Beziehung der Eltern zu ihrem Kind ist das Wechselmodell meist eine gute Wahl. Das Kind kann starke Bindungen zu beiden Elternteilen aufbauen, was sich auch positiv auf seine soziale Entwicklung auswirkt. Allerdings erfordert das Wechselmodell ein hohes Maß an Flexibilität und Kompromissbereitschaft, etwa bei der Koordination von Hobbys des Kindes oder der Absprache schulischer Termine wie Elternabenden oder Projektwochen. Auch kann der häufige Wechsel zwischen den Wohnungen für das Kind und die Eltern anstrengend sein. Umso wichtiger ist es, dass sich das Kind in beiden Wohnungen wohlfühlt, und es dort jeweils ausreichend Kleidung, Spielzeug und persönliche Sachen hat. Auch die beidseitig elterliche Unterstützung bei schulischen Angelegenheiten (inklusive der richtigen Schulmaterialien am richtigen Ort) erleichtert dem Kind das Leben im Wechselmodell.

Das Nestmodell: Kontinuität mit finanziellen Herausforderungen

Das Nestmodell ist der unkonventionelle Exot unter den Umgangsregelungen. Hier wechselt das Kind nicht zwischen den elterlichen Wohnungen, sondern die Eltern ziehen abwechselnd bei ihm im „Nest“ ein.
In der Umsetzung bedeutet das Nestmodell besondere finanzielle Herausforderungen. In der Regel müssen das „Nest“ und je eine Wohnung für Mutter und Vater unterhalten werden. Alternativ ist auch denkbar, dass sich die Eltern in den Wohnungen abwechseln, wobei dies mit weniger Privatsphäre einhergeht. Sie haben dann keinen komplett eigenen Rückzugsort mehr.

Dafür birgt das Nestmodell die gemeinsamen Vorteile von Residenz- und Wechselmodell: Das Kind profitiert von der Kontinuität, die der dauerhafte Wohnsitz mit sich bringt. Es hat stets denselben Schulweg, kann dieselben Freunde treffen, denselben Sportverein oder die dieselbe Musikschule besuchen. Gleichzeitig muss es auf keines der Elternteile verzichten. Dabei ist die Kooperations- und Kompromissbereitschaft der Eltern ähnlich stark wie im Wechselmodell erforderlich.

Die Wahl des Umgangsmodells – Tipps zur Entscheidungsfindung

Es lässt sich festhalten, dass es für den Umgang kein One-Size-Fits-All-Modell gibt. Jede Familie ist einzigartig und der Umgang mit dem Kind sollte auf die individuellen Bedürfnisse aller Beteiligten zugeschnitten sein. Dennoch lassen sich einige Empfehlungen aussprechen:

  1. Das Kind steht an erster Stelle. Bei euren Überlegungen sollte das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehen. Auch bei einer gerichtlichen Entscheidung über das Umgangsmodell wird stets berücksichtigt, welches die besten Voraussetzungen für die emotionale und soziale Entwicklung des Kindes bietet.
  2. Das Kind muss an der Wahl aktiv beteiligt werden. Es ist wichtig, dass ihr die Bedürfnisse und Vorstellungen eures Kindes erfragt und gemeinsam mit ihm Lösungen findet. Nur so findet ihr ein Modell, das dauerhaft und harmonisch von allen gelebt werden kann.
  3. Seid flexibel. Gerade bei Schulkindern ist es wichtig, auch innerhalb des gewählten Umgangsmodells offen für Abweichungen zu bleiben. Die Schulaktivitäten, Hobbys und Freunde eures Kindes sollten nicht wegen eurer Termine vernachlässigt werden.
  4. Trefft klare Vereinbarungen und tauscht euch aus. Dabei ist egal, für welches Modell ihr euch entscheidet. Ein detaillierter Umgangsplan kann euch gerade am Anfang helfen, euch in euren neuen Familienalltag einzufinden, Konflikte zu minimieren und eurem Kind Sicherheit zu bieten.

Gleich für welches Modell ihr euch entscheidet: Eine Trennung der Eltern ist für Kinder nie leicht, umso wichtiger ist es, dass ihr für euer Kind eine Familie bleibt und es sich nicht zwischen Mutter und Vater entscheiden muss.

Kurze Vorstellung unseres Gastautors: Niklas Clamann ist Anwalt im Familienrecht und steht Paaren bei allen rechtlichen Fragen rund um den Scheidungsantrag zur Seite – auch und gerade bei der Scheidung mit Kindern. Weitere Infos unter https://www.online-scheidung-deutschland.de/


Pfeil rechts kamina